25. Juni 2021
Trockene Sommer und Rekord-Temperaturen machen nicht nur den Früchten
auf den Feldern zu schaffen, sondern gehen auch an unseren Milchkühen
nicht spurlos vorüber. Leistungseinbußen, Euterentzündungen, Klauen- und
Fruchtbarkeitsprobleme stehen damit im Bunde. In dieser Abhandlung soll
speziell auf die Auswirkungen der Hitze auf die Klauengesundheit
eingegangen werden.
Was verträgt die Kuh?
Grundsätzlich bevorzugt
die Kuh als Bewohner nördlicher und mittlerer Breitengrade Temperaturen
von -7°C bis +16°C. Schon einige wenige Grad mehr können das
thermoregulatorische Gleichgewicht der Tiere komplett
durcheinanderbringen. Neben der Umgebungstemperatur wirkt auch die hohe
Stoffwechselleistung belastend auf die Körperkerntemperatur der Tiere.
Um dem entgegen zu wirken, hat die Natur der Kuh die Möglichkeit gegeben
zu schwitzen und zu hecheln. Reichen diese Mechanismen der Wärmeabgabe
nicht mehr aus, schränkt die Kuh physiologische Leistungen ein, um die
Wärmeproduktion zu begrenzen. Man spricht von Hitzestress. Die Tiere
stehen signifikant mehr, nehmen weniger Rohfaser auf und Kauen weniger
wieder. Azidosen, Immunschwäche, Leistungseinbußen gehören zu den
kurzfristig auftretenden Folgen dieser Belastung. Die Ausbildung einer
Lahmheit folgt mit Abstand aber auf dem Fuße.
Die Bluteversorgung leidet
Während
der Hitzeperiode kommt es bei den Kühen zu einer Veränderung des
Blutflusses. Dieser vermindert sich im Bereich des Magen-Darm-Trakts und
der inneren Organen und verlagert sich hin zur Haut. Dort wird die
mit dem Blut transportierte Wärme abgegeben. Dadurch wird eine Überhitzung
des Körpers, welche im schlimmsten Fall tödlich sein kann, vermieden.
Diese Umstellung hat allerdings zur Folge, dass die restlichen Gewebe
geringer mit Blut versorgt werden. So kann es im Gastrointestinaltrakt
zu Mängeln an Sauerstoff, Energie und Nährstoffen kommen. Durch diese
Unterversorgung kommt es zu Schäden der tight-junctions, Verbindungen
zwischen den Zellen der Darmwand. Diese Schwächung geht einher mit dem
Verlust der schützenden Funktion als Barriere gegen Bakterien und
Toxine, welche aus dem Darm ins Blut gelangen. Man spricht in diesem
Fall auch von einem durchlässigen Darm oder Leaky-Gut-Syndrom. Sind die
Bakterien und Toxine erst im Blutkreislauf angekommen, reagiert der
Organismus und es wird eine Immunreaktion provoziert. Diese Entzündung,
mit dem Ziel die Fremdkörper auszuschalten, verbraucht Nährstoffe und
Energie, die der Kuh zur Milchproduktion, bei der Trächtigkeit oder zur
Vollbringung anderer Leistungen fehlen. Im Bereich der Klauen wirkt sich
dieser Mangel auf die Bildung des Klauenhorns aus. Die Qualität in Härte
und Struktur, die während der Sommermonate konstant leidet, entwickelt
sich über Zeit zu ernsthaften Klauenproblemen. Diese treten dann gehäuft
an den schwächeren Stellen der Klaue auf, wie der weißen Linie. Mit
der Folge, dass es grade in diesem Bereich zu schwerheilenden
Seitenwanddefekten kommt.
Energiesparmodus
Ein
weiterer Faktor, der die Bildung von Geschwüren begünstigt, ist das
lange Stehen. Vor dem Hintergrund der Oberflächenvergrößerung zur
besseren Wärmeabgabe, stehen die Tiere signifikant länger am Tag. Das
geht einher mit einer stärkeren Belastung der Gliedmaßen und Klauen. Die
Lederhaut, die sich unter dem geschwächten Horn befindet, entzündet
sich dadurch leichter. Besonders gefährdet ist der Bereich um den
knöchernen Fortsatz, an dem die tiefe Beugesehne ansetzt, dem
Beugeknorren. Um dem entgegen zu wirken, bedarf es einer
Nährstoffversorgung, die Darmwand und Klaue, auch bei geringerer
Futteraufnahme, mit ausreichend Mineralstoffen, Vitaminen und Energie
versorgt. Die Erhöhung des Fett- und Energiegehalts durch den Einsatz
pansenstabiler Fette, ist eine Möglichkeit die Energieaufnahme zu
erhöhen. Weiter zeigt die Fütterung leicht verdaulicher organischen
Spurenelemente einen positiven Effekt auf die Belastung durch Hitze.
Besonders Zink zeigt sich hier hervor. Durch seine Funktion in der
Stabilität des Klauenhorns und in der Darmwand. Auch wirken Zink,
Kupfer, Mangan, Selen und Vitamin E als Antioxidantien. Sie binden freie
Radikale und schützen somit die Zellwände von Darm und Pansen.
Pansenazidose
Eine
weitere Folge von Hitzestress ist das Vorkommen von sauren
Verhältnissen im Pansen. Durch die geringere Futter- und
Rohfaseraufnahme, sowie längeren Standperioden, kommt es zu einer
Verminderung der Wiederkauaktivität. Daraus resultiert eine geringe
Bildung von pansenpufferndem Natriumbicarbonat. Das bietet die
Möglichkeit einer Änderung der Pansenflora. Eine vermehrte Bildung
starker Säuren lässt das pH-Milieu ins Saure fallen. Es kommt zu einer
Pansenazidose. Die dabei gebildeten Säuren, allen voran Laktat, gehen in
das Blut über und senken dessen pH ebenfalls. Es folgt eine
metabolische Azidose. Dies führt zu einer Erhöhung der
Blutdurchflussrate durch sogenannte vasoaktive Substanzen. In
Kombination mit Endotoxinen, wie sie durch sterbende Mikroorganismen bei
einer Azidose freigesetzt werden und in das Blut gelangen oder
Histaminen, die vermehrt bei einer Entzündungsreaktion auftreten, kommt
es zu einer weiteren Verengung der Blutgefäße. Als Konsequenz wird die
Lederhaut der Klaue nicht mehr durchblutet und die Nährstoffzufuhr zur
Bildung neuen Klauenhorns bricht ab. Es entsteht eine Laminitis (Klauenrehe) bzw. doppelte Sohle. Es ist deshalb besonders wichtig während
Hitzeperioden auf die Pansengesundheit zu achten, um diese Szenarien zu
vermeiden. Helfen kann dabei der Einsatz zusätzlichen Natriumbicarbonats
als Pansenpuffer oder der Einsatz von Lebendhefen, welche die
Bakterienflora im Darm belebt und das Wachstum säurebildender Bakterien
unterdrückt.
Auch die verstärkte Umwandlung von Harnstoff in
Ammoniak während der warmen Sommertage hat einen Einfluss auf die
Klauengesundheit der Tiere. Zusammen mit Feuchtigkeit sorgt der Ammoniak
für eine Auflösung von Hornsubtanz sowie für eine rissige und trockene
Haut an den Ballen. Die so gefurchte und geschwächte Haut bietet den
Mortellaro auslösenden Treponemen gute Lebensverhältnisse. Sie dringen
in die Haut der Tiere ein und infizieren sie. Unter Hitzestress haben es
die Tiere aufgrund ihrer schlechten Nährstoffversorgung und ihrer
schwachen Immunität schwer, sich gegen diese Infektion zu wehren. Die
Folge sind Schmerzen, Unruhe und Leistungsverlust.
Um dem entgegen
zu wirken sollte das Tier ausreichend mit Nährstoffen versorgt sein, der
Pansen-pH im Normbereich liegen und die Kuh durch angepasste
stallbauliche Maßnahmen von der Belastung zu großer Hitze geschützt
sein.
Fazit
Hitzestress kann zu schwer
heilenden Seitenwanddefekten, Geschwüren, Lederhautentzündungen,
Laminitis, Klauenrehe, doppelter Sohle und Mortellaro führen.